AktuellGeschichte

Zeitzeugengespräch 2025

Zeitzeugengespräch 2025

Am 25.04.2025 hatten die Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Neu Wulmstorf die besondere Gelegenheit, drei Zeitzeugen zu einem Gespräch zu begrüßen: das Ehepaar Frauke (88) und Hansjörg Petershagen (90) sowie Manfred Hüllen (86).

Zum Auftakt der Veranstaltung unterstrich der Bürgermeister der Gemeinde die große Bedeutung solcher Begegnungen für das demokratische Bewusstsein und die Erinnerungskultur. Ursprünglich war nur ein kurzer Besuch geplant, doch dank einer Terminverschiebung konnte er länger bleiben und die Bedeutung der Demokratie betonen. In der anschließenden Vorstellung wurde deutlich: Alle drei Gäste hatten die nationalsozialistische Machtübernahme selbst nicht miterlebt, wuchsen jedoch in der Diktatur auf und schilderten eindringlich ihre Erlebnisse während des Zweiten Weltkriegs und der NS-Zeit.

Manfred Hüllen berichtete, wie seine Mutter während der Novemberpogrome 1938 die Zerstörung jüdischer Geschäfte und die Ermordung eines befreundeten jüdischen Ehepaares miterleben musste. Dieses Ehepaar hatte ein Bettengeschäft geführt und war der Arbeitgeber seiner Mutter, die in engem Verhältnis mit dem Ehepaar stand. Diese Berichte verdeutlichten die Brutalität und Menschenverachtung des Regimes. Das Ehepaar Petershagen berichtete ebenfalls von frühen Erfahrungen mit Propaganda und Indoktrination. Frauke Petershagen schilderte Erlebnisse im Kindergarten: Dort wurden die Kinder auf den Boden gesetzt, mussten Landkarten studieren und nationalsozialistische Lieder singen. Ein Kind, das nicht den Hitlergruß machte, wurde von der Erzieherin geohrfeigt. Auch Hansjörg Petershagen musste in der Schule paramilitärische Übungen absolvieren – brutale Kampfübungen in Uniform gehörten damals zum Alltag. Die Zeitzeugen machten deutlich, wie gefährlich es war, sich offen gegen das System zu stellen. Hansjörg Petershagen erinnerte sich, an einen Moment des Widerstands bei seiner Mutter: Statt den Sohn vollständig in NS-Organisationen zu integrieren, ermöglichte sie ihm weiter den Klavierunterricht und äußerte offen Kritik, wenn er sich mehr mit dem für sie nicht zukunftsfähigen "Hitlerkram" beschäftigte. Besondere Eindrücke hinterließ die Erzählung, wie Petershagens Familie einem jüdischen Flüchtling Unterschlupf auf ihrem Dachboden gewährte – trotz der ständigen Gefahr, dafür mit Gefängnisstrafen oder der Einweisung der Kinder in NS-Erziehungsheime bestraft zu werden.

Sehr persönliche Einblicke gab es in die Erlebnisse während des Bombenkriegs: Frauke Petershagen schilderte die Schrecken des Hamburger Feuersturms 1943, bei dem Phosphorbomben ganze Stadtteile zerstörten. Manfred Hüllen berichtete bewegend, wie seine Familie bei einem Tieffliegerangriff schwer getroffen wurde – seine Schwester überlebte den Angriff nicht, ein traumatisches Erlebnis, das ihn noch heute zu Tränen rührt. Dabei machte er mit Blick auf den Ukraine-Krieg deutlich, dass noch heute der einfache Mensch die größten Opfer bei den Kriegen auf der Welt bringt.

Die grausame Kriegsrealität offenbarte sich auch in den Berichten über Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit und die Angst vor Gewalt – sowohl durch deutsche Behörden als auch durch Besatzungssoldaten. Hüllen schilderte, wie sein Vater wegen vermeintlichen Diebstahls ins Konzentrationslager Buchenwald kam und dort später gezwungen wurde, Minen mit bloßen Händen zu suchen. Nur durch großes Glück überlebte er. Frauke Petershagen erzählte, wie ihre Familie nach der Bombardierung Hamburgs notdürftig untergebracht wurde und unter großen Entbehrungen den Alltag zu bewältigen versuchte. Insbesondere die Maßen, die sie traf, um im Winter warme Füße zu haben, betraf die Zuhörenden.

Zum Abschluss mahnten die Gäste eindringlich, wie wichtig es sei, die Erinnerung wachzuhalten und sich für die Werte von Demokratie, Frieden und Menschenwürde (insbesondere in der heutigen Zeit) einzusetzen. Besonders Manfred Hüllen berichtete, dass es selbst heute noch Widerstände gegen Aufklärungsarbeit gebe, etwa wenn Schulen aus Angst vor rechtspopulistischem Druck Zeitzeugengespräche absagen.

Das Gespräch hinterließ bei den Schülerinnen und Schülern einen tiefen Eindruck. Die persönlichen Schilderungen machten das abstrakte Thema „Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg“ greifbar und emotional erfahrbar.

Das Gymnasium Neu Wulmstorf bedankt sich herzlich bei den Gästen für ihren Mut und ihr Engagement, ihre Erfahrungen mit der jungen Generation zu teilen.

I. Grewe

Cookie Consent Banner von Real Cookie Banner